Zugegeben, es war schon eine gewisse Hybris im Spiel. Eine gute Freundin, begeisterte Hobbyornithologin, erzählte mir vor ein paar Jahren, dass es ihr großer Traum sei, einmal den Eisvogel zu sehen. Ich hatte zu jener Zeit gar keine Erfahrung in der Vogelfotografie, aber ein Teleobjektiv an meiner Spiegelreflexkamera. Und Google. Und ein gesundes Maß an frevelhaftem Übermut.
“Das kann doch nicht so schwer sein”, sagte ich, warf die bekannte Suchmaschine an und begann zu forschen, ob und wo es den Eisvogel in Bremen zu sehen gäbe. Ein Beitrag vom Nabu war einer der ersten Treffer. An einem See in der Peripherie der Stadt sei eine Brutwand eingerichtet worden. “Es soll den Eisvogel schon hier in der Gegend geben” sagte ich der Freundin, das Thema war kurz darauf aber vergessen.
Am nächsten Tag sollte ich einen freien Tag haben und mir kam der Eisvogel wieder in den Sinn. An den fraglichen See komme ich mit dem Öffentlichen Personennahverkehr in etwas über zehn Minuten, also schrieb ich eine Kurzmitteilung an besagte Freundin, dass ich jetzt losfahren und ein Foto vom Eisvogel machen würde.
Ich stieg an der passenden Bushaltestelle aus und bin direkt an den falschen See gelaufen. Der See, der gemeint war, ist von der Größe eben ein See. Ich stand eher an einem Matschloch, was mir aber auch nicht weiter komisch vorkam, ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, wie der fragliche See überhaupt aussehen würde. Da ich also dachte, richtig zu sein, nahm ich meine Kamera aus dem Rucksack und machte eine Testaufnahme, um die Belichtung zu prüfen. Die passte und während ich noch auf den Monitor meiner Kamera schaute, sah ich aus dem Augenwinkel etwas kleines blaues flach über die Wasseroberfläche ziehen. Geistesgegenwärtig nahm ich die Kamera hoch, drückte den Auslöser und hatte mein Foto vom Eisvogel.
Weil es für mich keinen weiteren Grund gab, an dem See zu bleiben, bin ich zurück zur Bushaltestelle, habe das Foto auf mein Telefon übertragen und meiner Freundin geschickt. Zwischen der ersten Nachricht, wonach ich losführe und ein Foto vom Eisvogel machen wollte und dem Verkünden des Erfolgs lag vielleicht eine Stunde. Bis heute berichten mir Kollegen der Freundin, dass sie rumpelstielzchengleich durch die Büros gezogen sei und gemeckert habe.